Inflationsausgleichsgesetz und Jahressteuergesetz 2022 – Der Gesetzgeber bringt weitere Entlastungen auf den Weg

Die Auswirkungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferkettenschwierigkeiten, Energieknappheit, Fachkräftemangel usw. lasten schwer auf vielen Unternehmen und Verbraucher. Das Bundeskabinett hat daher am 14. September 2022 zwei weitere Entwürfe für ein Inflationsausgleichsgesetz sowie Jahressteuergesetz 2022 verabschiedet. Das Inflationsausgleichsgesetz soll die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen vermeiden. Zudem sollen Familien gezielt steuerlich unterstützt werden. Angedacht sind u.a. folgende Maßnahmen:

 

Erhöhung des Grundfreibetrags:

  • Zum 01.01.2023 ist eine Anhebung um 285 € auf 10.632 € vorgesehen.
  • Für 2024 ist eine weitere Anhebung um 300 € auf 10.932 € vorgeschlagen.

 

Kalte Progression ausgleichen:

  • Die sog. Tarifeckwerte werden entsprechend der erwarteten Inflation „nach rechts“ verschoben. Das heißt, der Spitzensteuersatz von 42% soll 2023 bei 61.972 € statt bisher 58.597 € greifen, 2024 soll er ab 63.515 € beginnen. Der „Reichensteuersatz“ von 45% greift unverändert ab 277.826 €. Die Angaben gelten für die Einzelveranlagung, bei Zusammenveranlagung verdoppeln sich die Beträge. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu Entlastungsbeispiele berechnet, die auf der Internetseite des BMF abgerufen werden können.

 

Unterstützung von Familien:

  • Der Kinderfreibetrag soll schrittweise für jeden Elternteil von 2022 bis 2024 um insgesamt 264 € erhöht werden, bis er zum 01.01.2024 bei 2.994 € liegt. Im Lohnsteuerabzugsverfahren wirkt sich die rückwirkende Anhebung des Kinderfreibetrags auf die Höhe der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags aus.
  • Das Kindergeld wird in den Jahren 2023 bis 2024 schrittweise erhöht: Ab dem 1. Januar 2023 beträgt es monatlich für das erste, zweite und dritte Kind einheitlich 237 €, für das vierte und jedes weitere Kind 250 €. Eine weitere Anhebung ist für 2024 vorgesehen.

 

Anhebung des Unterhaltshöchstbetrags:

  • Der Unterhaltshöchstbetrag für 2022 wird von 9.984 € auf 10.347 € und in 2023 auf 10.632 € angehoben. So können mehr Kosten, die etwa für Berufsausbildung oder Unterhalt für eine unterhaltsberechtigte Person anfallen, steuerlich geltend gemacht werden. Zukünftige Anpassungen werden automatisiert.

 

Der Schwerpunkt des Jahressteuergesetzes 2022 liegt bei Steuerentlastungen und Anpassungen, mit denen die Digitalisierung der Finanzverwaltung forciert werden soll.

Im Einzelnen sind u.a. folgende Maßnahmen geplant:

 

Entfristung der Homeoffice-Pauschale

  • Die Homeoffice-Pauschale war bisher nur beschränkt für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2022 eingeführt worden. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 soll sie nun entfristet werden.
  • Zudem ist vorgesehen den Höchstbetrag von maximal 600 € pro Jahr auf 1.000 € pro Jahr anzuheben. Der Tagessatz von 5 € wird beibehalten. Zukünftig können Beschäftigte somit bis zu 200 Tage (die sie im Homeoffice verbracht haben) steuerlich geltend machen. Die Homeoffice-Pauschale wird –wie bisher – in die Werbungskostenpauschale eingerechnet und nicht zusätzlich gewährt. Aufwendungen für Arbeitsmittel können zusätzlich angesetzt werde.

 

Vereinfachter Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer

  • Steuerpflichtige, die zu Hause ein eigenes Arbeitszimmer nutzen und keinen Arbeitsplatz bei Ihrem Arbeitgeber haben, können ab 2023 eine Jahrespauschale von 1.250 € geltend machen.
  • Liegen die Voraussetzungen für einen vollständigen Abzug der Kosten vor, soll ein Nachweis nur dann erforderlich sein, wenn über die Pauschale von 1.250 € hinausgehende Kosten geltend gemacht werden.

 

Anhebung des linearen AfA-Satzes bei Wohnimmobilien

  • Der jährliche AfA-Satz soll von 2 % auf 3 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten angehoben werden. Dies gilt für nach dem 30.06.2023 fertiggestellte Gebäude, die Wohnzwecken dienen. Diese Regelung soll den Anreiz für den Neubau von Wohnobjekten fördern.
  • Die Ausnahmeregelung, dass in begründeten Fällen eine kürzere Nutzungsdauer und damit ein höherer Afa-Satz berücksichtigt werden kann, soll aufgehoben werden, um Bürokratieaufwand zu vermindern und Ungleichbehandlungen zu vermeiden.
  • Für Mietereinbauten und -umbauten, die keine Scheinbestandteile oder Betriebsvorrichtungen sind, Ladeneinbauten und ähnliche Einbauten soll die Möglichkeit der Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer erhalten bleiben.

 

Vollständiger Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen

  • Der vollständige Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben soll bereits ab dem Jahr 2023 (statt erstmals im Jahr 2025) möglich sein.

 

 

Ehegattenübergreifender Verlustausgleich

  • Derzeit können Verluste eines Ehegatten aus Kapitaleinkünften nicht mit Erträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden. Eine ehegattenübergreifende Verlustverrechnung bei den Kapitaleinkünften in der Veranlagung soll nun gesetzlich ab 2022 ermöglicht werden.

 

Erhöhung des Sparerpauschbetrags und des Ausbildungsfreibetrags

  • Der Sparerpauschbetrag wird ab dem Veranlagungszeitraum 2023 von 801 € auf 1.000 € für Alleinstehende und von 1.602 € auf 2.000 € für zusammen veranlagte Ehegatten oder Lebenspartner erhöht. Die bereits bei Banken hinterlegten Freistellungsaufträge werden automatisch prozentual erhöht.

 

  • Der Ausbildungsfreibetrag für ein auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind wird ab dem Veranlagungszeitraum 2023 von 924 € auf 1.200 € erhöht.

 

Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen

  • Für Einnahmen und Entnahmen aus bzw. von Photovoltaikanlagen, die nach dem 31.12.2022 erzielt oder getätigt werden, soll eine Einkommensteuerbefreiung eingeführt werden. Dies gilt für auf Einfamilienhäusern (einschl. Nebengebäuden) oder Gewerbeimmobilien vorhandene Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von 30 kW sowie von auf überwiegend zu Wohnzwecken genutzten sonstigen Gebäuden vorhandenen Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 15 kW je Wohn- oder Gewerbeeinheit, jeweils höchstens 100 kW pro Stpfl. oder Mitunternehmerschaft.

 

Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms. Damit sind auch Einnahmen aus Photovoltaikanlagen, bei denen der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird, steuerfrei. Mit der geplanten gesetzlichen Regelung wird der bereits per Verwaltungsanweisung umgesetzte Verzicht auf die Abgabe einer Steuererklärung für kleine Photovoltaikanlagen umgesetzt.

 

  • Für die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Einfuhr und Installation von Photovoltaikanlagen sowie Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, soll ab 1.1.2023 ein Umsatzsteuersatz von 0 Prozent eingeführt werden, der den Vorsteuerabzug nicht ausschließt. Voraussetzung soll sein, dass die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Außerdem darf die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kW betragen.

 

Steuerfreie Inflationsausgleichsprämie für Arbeitnehmer

  • Seit 26.10.2022 ist es möglich, dass Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 € steuer- und sozialversicherungsfrei erhalten können, sofern diese zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn gezahlt wird. Der Begünstigungszeitraum ist bis zum 31.12.2024 befristet.

 

Fazit:

Die beiden Entwürfe zum Inflationsausgleichs- sowie Jahressteuergesetz 2022 sehen zahlreiche Änderungen vor. Es bleibt abzuwarten welche geplanten Änderungen tatsächlich umgesetzt werden. Insbesondere die vorgesehenen Entlastungen im Inflationsausgleichsgesetz sind zwar gut gemeint, reichen aber für eine spürbare Entlastung der Steuerzahler nicht aus. Nachbesserungen sind insbesondere im Bereich des Einkommensteuertarifs wünschenswert.

 

Ralph Neumann

Dipl. Kaufmann/Wirtschaftsprüfer/Steuerberater